Die Glaubensspaltung der
Monophysiten dauerte trotz der Versammlung von Chalkedon
fort. Um die getrennten Kirchen zu versöhnen, sollten
einzelne der ehemaligen Hauptgegner des Monophysitismus,
Theodoret von Cyrus und Ibas von Edessa, sowie der
Hauptvertreter der antiochenischen Schule, Theodor von
Mopsuestia, mit ihren Schriften als nestorianisch verurteilt
werden. Es entwickelte sich der Streit um die "drei
Kapitel"; unter diesem Namen wurden die genannten
Schriftsteller und ihre Werke zusammengefasst. Die treibende
Kraft, die die Verurteilung durchsetzte, war der kaiserliche
Hof von Konstantinopel, der auch die Allgemeine Versammlung
zu Konstantinopel, die fünfte Allgemeine Kirchenversammlung,
veranlasste. Schließlich gab auch Papst Vigilius den
Beschlüssen der Kirchenversammlung seine Zustimmung.
1. Wer nicht <die> eine Natur bzw.
Wesenheit, <die> eine Kraft und Macht, <die> wesensgleiche
Dreifaltigkeit und <die> eine Gottheit des Vaters, des
Sohnes und des Heiligen Geistes bekennt, die in drei
Hypostasen bzw. Personen angebetet wird, der sei mit dem
Anathema belegt.
Denn <es ist> ein Gott und Vater, aus dem alles <ist>, ein
Herr Jesus Christus, durch den alles <ist>, und ein Heiliger
Geist, in dem alles <ist>.
2. Wer nicht bekennt, daß es zwei Geburten Gottes, des
Wortes, gibt, die eine vor den Zeiten aus dem Vater, zeitlos
und leiblos, die andere in den letzten Tagen, als er selbst
aus den Himmeln herabgestiegen ist, fleischgeworden ist aus
der heiligen glorreichen Gottesgebärerin und immerwährenden
Jungfrau Maria und aus ihr geboren wurde, der sei mit dem
Anathema belegt.
3. Wer sagt, ein anderer sei das Wort Gottes, das Wunder
gewirkt hat, und ein anderer der Christus, der gelitten hat,
oder sagt, Gott, das Wort, sei mit dem aus der Frau
geborenen Christus [vgl. Gal 4,4] zusammen oder sei in ihm
wie einer in einem anderen, aber leugnet, daß unser Herr
Jesus Christus, das Wort Gottes, das Fleisch und Mensch
wurde, ein und derselbe <ist>, und daß die Wunder und die
Leiden, die er freiwillig im Fleisch auf sich nahm,
demselben angehören, der sei mit dem Anathema belegt.
4. Wer sagt, die Einung Gottes, des Wortes, mit dem Menschen
sei geschehen der Gnade nach, oder dem Wirken, oder der
Gleichheit der Ehre nach, oder der Machtvollkommenheit nach,
oder durch Beziehung oder Verhältnis, oder der Kraft nach,
oder aus Wohlwollen, so als ob Gott, das Wort, am Menschen
Gefallen gefunden hätte, weil er ihm gut und wohl gefiel,
wie Theodor in seinem Unverstand sagt;
oder <wer sagt, diese Einung sei geschehen> durch die
Gleichnamigkeit, so wie die Nestorianer Gott, das Wort,
Jesus und Christus nennen und den Menschen getrennt als
Christus und Sohn bezeichnen und so offensichtlich von zwei
Personen reden, während sie nur der Bezeichnung, Ehre, Würde
und Anbetung nach heuchlerisch von einer Person und von
einem Christus reden,
aber leugnet, daß die Einung Gottes, des Wortes, mit dem
durch eine vernunft- und verstandesbegabte Seele beseelten
Leib durch Zusammensetzung oder in der Hypostase geschehen
ist, wie die heiligen Väter lehrten, und daß es deswegen
eine Hypostase desselben <gibt>, die der Herr Jesus Christus
ist, einer der heiligen Dreifaltigkeit, der sei mit dem
Anathema belegt.
Da nämlich die Einung auf vielfältige Weise verstanden
werden kann, setzen sich die Anhänger der Gottlosigkeit des
Apollinaris und des Eutyches für das Verschwinden dessen
ein, was zusammengekommen ist, und vertreten eine Einung
durch Vermischung. Die Anhänger Theodors und des Nestorius
aber freuen sich an der Trennung und führen eine bezügliche
Einung ein; die heilige Kirche Gottes jedoch verwirft die
Gottlosigkeit beider Häresien und bekennt die Einung Gottes,
des Wortes, mit dem Fleisch durch Zusammensetzung, d. h. in
der Hypostase. Denn die Einung durch Zusammensetzung bewahrt
im Geheimnis Christi nicht nur das, was zusammengekommen
ist, unvermischt, sondern läßt auch keine Trennung zu.
5. Wer <den Ausdruck> „eine Hypostase unseres Herrn Jesus
Christus" so versteht, als ob sie die Bedeutung von vielen
Hypostasen annehmen könnte, und dadurch im Geheimnis Christi
zwei Hypostasen bzw. zwei Personen einzuführen versucht,
und, nachdem von ihm zwei Personen eingeführt worden sind,
von einer Person der Würde, Ehre und Anbetung nach spricht,
wie dies Theodor und Nestorius in ihrem Unverstand
geschrieben haben, und das heilige Konzil in Chalkedon
verleumdet, es habe in diesem gottlosen Sinne den Ausdruck
„eine Hypostase" verwendet,
aber leugnet, daß sich das Wort Gottes in der Hypostase mit
dem Fleisch geeint hat und es deshalb eine Hypostase bzw.
eine Person desselben <gibt>, und daß in diesem Sinne auch
das heilige Konzil in Chalkedon eine Hypostase unseres Herrn
Jesus Christus bekannt hat, der sei mit dem Anathema belegt.
Denn wenn auch der eine der heiligen Dreifaltigkeit, Gott,
das Wort, fleischgeworden ist, so hat die heilige
Dreifaltigkeit doch keine Hinzufügung einer Person bzw.
Hypostase erfahren.
6. Wer sagt, die heilige, glorreiche, allzeit jungfräuliche
Maria sei im uneigentlichen Sinn, aber nicht wahrhaftig
Gottesgebärerin, oder der Beziehung nach - so als ob ein
bloßer Mensch aus ihr geboren worden, nicht aber Gott, das
Wort, aus ihr fleischgeworden und geboren worden wäre, die
Geburt des Menschen aber, wie jene sagen, sich auf Gott, das
Wort, beziehe, insofern es mit dem geborenen Menschen
zusammen ist -, und das heilige Konzil in Chalkedon
verleumdet, es habe in diesem gottlosen, von Theodor
erfundenen Sinne die Jungfrau Gottesgebärerin genannt; oder
wer sie Menschengebärerin oder Christusgebärerin nennt, so
als ob Christus nicht Gott wäre,
aber leugnet, dass sie im eigentlichen Sinn und wahrhaftig
Gottesgebärerin ist, weil Gott, das Wort, das vor den Zeiten
aus dem Vater gezeugt worden war, in den letzten Tagen aus
ihr fleischgeworden ist, und dass in diesem frommen Sinn sie
auch das heilige Konzil in Chalkedon als Gottesgebärerin
bekannt hat, der sei mit dem Anathema belegt.
7. Wer den Ausdruck „in zwei Naturen" nicht in dem Sinne
verwendet, daß er damit bekennt, dass unser einer Herr Jesus
Christus in der Gottheit und Menschheit erkannt wird, um
dadurch den Unterschied der Naturen anzuzeigen, aus denen
die unaussprechliche Einung unvermischt entstanden ist, ohne
dass das Wort in die Natur des Fleisches verwandelt wurde
oder das Fleisch in die Natur des Wortes überging (denn
beides bleibt, was es seiner Natur nach ist, auch wenn die
Einung in der Hypostase eingetreten ist), sondern diesen
Ausdruck in Bezug auf das Geheimnis Christi im Sinne einer
Trennung der Teile versteht;
oder <wer> die Zahl der Naturen in eben unserem einen Herrn
Jesus Christus, dem fleischgewordenen Gott, dem Wort,
bekennt und dabei den Unterschied der <Teile>, aus denen er
zusammengesetzt ist, nicht bloß theoretisch betrachtet, ohne
dass er <= der Unterschied> wegen der Einung aufgehoben wird
(denn einer <ist> aus beiden und beide <sind> durch einen),
sondern die Zahl nur dazu verwendet, um die Naturen zu
trennen und zu eigenen Hypostasen zu machen, der sei mit dem
Anathema belegt.
8. Wer die Ausdrücke „aus zwei Naturen, der Gottheit und der
Menschheit, ist die Einung geschehen" oder „eine
fleischgewordene Natur Gottes, des Wortes" nicht so
versteht, wie auch die heiligen Väter gelehrt haben, nämlich
daß aus der göttlichen und der menschlichen Natur durch die
Einung in der Hypostase ein Christus vollkommen gemacht
wurde, sondern aufgrund dieser Ausdrücke eine Natur bzw.
Wesenheit der Gottheit und des Fleisches Christi einzuführen
versucht, der sei mit dem Anathema belegt.
Wenn wir nämlich sagen, das einziggeborene Wort habe sich
„in der Hypostase" vereinigt, so sagen wir damit nicht, dass
irgendeine Vermischung der Naturen untereinander
stattgefunden habe, sondern verstehen es so, dass sich das
Wort mit dem Fleisch vereinigt hat, indem beide <Naturen>
blieben, was sie sind. Deshalb gibt es auch einen Christus,
Gott und Mensch, derselbe wesensgleich dem Vater der
Gottheit nach und derselbe wesensgleich uns der Menschheit
nach; in gleicher Weise nämlich verwirft die Kirche Gottes
sowohl die, welche das Geheimnis des göttlichen
Heilsgeschehens in Christus in Teile zertrennen oder
zerschneiden, als auch die, welche es vermischen, und belegt
sie mit dem Anathema.
9. Wer behauptet, Christus werde in zwei Naturen angebetet,
woraus zwei Anbetungen folgen, eine eigene für Gott, das
Wort, und eine eigene für den Menschen;
oder wer, um das Fleisch aufzuheben oder um die Gottheit und
die Menschheit zu vermischen, von einer Natur oder Wesenheit
dessen, was zusammengekommen ist, daherphantasiert und in
diesem Sinne Christus anbetet, aber nicht mit einer Anbetung
den fleischgewordenen Gott, das Wort, mitsamt seinem ihm
eigenen Fleisch anbetet, wie es die Kirche Gottes von Anfang
an überliefert bekommen hat, der sei mit dem Anathema
belegt.
10. Wer leugnet, daß unser im Fleisch gekreuzigter Herr
Jesus Christus wahrer Gott und Herr der Herrlichkeit und
einer der heiligen Dreifaltigkeit ist, der sei mit dem
Anathema belegt.
11. Wer Arius, Eunomius, Macedonius, Apollinaris, Nestorius,
Eutyches und Origenes
mitsamt ihren gottlosen Schriften nicht mit dem Anathema
belegt, und <ebenso> alle anderen Häretiker, die von der
heiligen katholischen und apostolischen Kirche und den
vorher genannten vier heiligen Konzilien verurteilt worden
sind, sowie die, welche die gleiche Gesinnung wie die vorher
genannten Häretiker hatten oder haben und bis zum Tod in
ihrer Gottlosigkeit verharrten, der sei mit dem Anathema
belegt.
12. Wer den gottlosen Theodor von Mopsuestia verteidigt, der
sagt, ein anderer sei Gott, das Wort, und ein anderer der
von Leiden der Seele und den Begierden des Fleisches
belästigte Christus, der sich nach und nach von den
Unvollkommeneren getrennt habe und so aufgrund des
Fortschritts in den Werken besser und aufgrund seiner
Lebensweise untadelig geworden sei; ferner, dass er als
bloßer Mensch getauft worden sei auf den Namen des Vaters
und des Sohnes und des Heiligen Geistes, durch die Taufe die
Gnade des Heiligen Geistes empfangen habe, der Annahme an
Sohnes Statt für würdig befunden worden sei, gleich dem Bild
eines Kaisers im Hinblick auf die Person Gottes, des Wortes,
verehrt werde und erst nach der Auferstehung unveränderlich
in seinen Gedanken und vollkommen sündenlos geworden sei.
Und wiederum sagte derselbe gottlose Theodor, die Einung
Gottes, des Wortes, mit Christus sei so geschehen, wie der
Apostel bei Mann und Frau sagt: „Sie werden zwei in einem
Fleisch sein" [Eph 5,31].
Neben seinen anderen unzähligen Gotteslästerungen hat er
auch zu sagen gewagt, dass der Herr, als er nach der
Auferstehung seine Jünger anhauchte und sagte: „Empfanget
heiligen Geist" [Joh 20,22], ihnen keinen heiligen Geist
verlieh, sondern sie nur zeichenhaft anhauchte.
Dieser aber sagte auch, daß das Bekenntnis des Thomas bei
der Betastung der Hände und der Seite des Herrn nach der
Auferstehung, nämlich das „Mein Herr und mein Gott" [Joh
20,28], von Thomas nicht in bezug auf Christus gesagt worden
sei, sondern dass Thomas voller Staunen über das Wunder der
Auferstehung Gott gepriesen habe, der Christus auferweckte.
Was aber noch schlimmer ist: Derselbe Theodor vergleicht
auch in dem offensichtlich von ihm stammenden Kommentar zur
Apostelgeschichte Christus mit Platon, Manichäus, Epikur und
Markion, wenn er sagt, auf dieselbe Weise, wie jeder von
ihnen, indem er seine eigene Lehre erfunden habe, seinen
Schülern die Namen Platoniker, Manichäer, Epikureer und
Markioniten verschafft habe, so habe auch Christus eine
Lehre erfunden und die Christen würden deshalb nach ihm
benannt.
Wer also den besagten durch und durch gottlosen Theodor und
seine gottlosen Schriften, in denen er die angeführten und
unzählige andere Lästerungen über unseren großen Gott und
Erlöser Jesus Christus ausgießt, verteidigt und nicht
vielmehr ihn und seine gottlosen Schriften mit dem Anathema
belegt, sowie auch alle, die ihm zustimmen oder ihn auch
verteidigen oder behaupten, seine Schriftauslegung sei
rechtgläubig, und auch die, welche für ihn geschrieben haben
und dieselbe Meinung wie er vertraten, oder auch die für ihn
und seine gottlosen Schriften schreiben und dieselbe Meinung
vertreten oder jemals vertreten haben und bis zum Tod in
dieser Gottlosigkeit [Häresie] verharrten, der sei mit dem
Anathema belegt.
13 Wer die gottlosen Schriften Theodorets verteidigt, die
gegen den wahren Glauben, die erste heilige Synode in
Ephesus, den unter den Heiligen <weilenden> Kyrill und seine
zwölf Kapitel [vgl. DH 252-263] gerichtet sind, und alles,
was er zugunsten der gottlosen Theodor und Nestorius
geschrieben hat und zugunsten anderer, die dieselbe
Auffassung wie die gerade genannten Theodor und Nestorius
vertreten und ihnen und ihrer Gottlosigkeit zustimmen, und
um ihretwillen die Lehrer der Kirche, die die Einung Gottes,
des Wortes, in der Hypostase vertreten, als gottlos
bezeichnet;
und wer die erwähnten gottlosen Schriften nicht mit dem
Anathema belegt, <sowie> auch die, welche dieselbe
Auffassung wie diese vertraten oder vertreten, aber auch
alle, die gegen den rechten Glauben oder gegen den unter den
Heiligen <weilenden> Kyrill und seine zwölf Kapitel
geschrieben haben und in dieser Gottlosigkeit bis zum Tode
verharrten, der sei mit dem Anathema belegt.
14. Wer den Brief verteidigt, von dem man sagt, er sei von
Ibas an den Perser Maris geschrieben worden, und der
leugnet, dass der aus der heiligen Gottesgebärerin und
immerwährenden Jungfrau Maria fleischgewordene Gott, das
Wort, Mensch geworden ist, der vielmehr behauptet, ein
bloßer Mensch sei aus ihr geboren worden, den er Tempel
nennt, so dass Gott, das Wort, ein anderer ist als der
Mensch, und den unter den Heiligen <weilenden> Kyrill, der
den rechten Glauben der Christen verkündet hat, verleumdet,
als sei er ein Häretiker gewesen und habe genauso wie der
gottlose Apollinaris geschrieben, und die erste heilige
Synode in Ephesus tadelt, so als ob sie Nestorius ohne
Untersuchung verurteilt hätte; und zwar nennt derselbe
gottlose Brief die zwölf Kapitel des unter den Heiligen
<weilenden> Kyrill [ DH 252-263] gottlos und dem rechten
Glauben entgegengesetzt und verteidigt Theodor und Nestorius
und ihre gottlosen Lehren und Schriften;
wer also den besagten Brief verteidigt und ihn nicht mit dem
Anathema belegt, samt denen, die ihn verteidigen und sagen,
er selbst oder ein Teil von ihm sei richtig, und die zu
seinen Gunsten oder <zugunsten> der darin enthaltenen
Gottlosigkeiten geschrieben haben und schreiben, und die es
wagen, diesen <Brief> oder die darin enthaltenen
Gottlosigkeiten im Namen der heiligen Väter oder des
heiligen Konzils in Chalkedon zu verteidigen, und die bis
zum Tod darin verharrten, der sei mit dem Anathema belegt.
So haben wir uns also zu dem bekannt, was wir aus der
göttlichen Schrift, der Lehre der heiligen Väter und den
Bestimmungen der vorher genannten vier heiligen Konzilien
über ein und denselben Glauben übernommen haben; wir haben
aber auch die Häretiker und ihre Gottlosigkeit verurteilt,
zudem aber auch diejenigen, welche die besagten Drei Kapitel
verteidigten 6oder verteidigen und in ihrem Irrtum
verharrten oder verharren; wer versuchen sollte, etwas dem
von uns in frommer Weise Festgesetzten Gegenteiliges zu
überliefern, zu lehren oder zu schreiben, der soll, wenn er
Bischof ist oder zum Klerus gehört, da er etwas tut, was
sich für Priester und den kirchlichen Stand nicht gehört,
des bischöflichen oder geistlichen Amtes entkleidet werden;
wenn er aber Mönch oder Laie ist, so soll er mit dem
Anathema belegt werden.
Ende des Kapitels Geschichte
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