Verwendung in dieser Website mit freundl. Genehmigung
der Autorin
					
					                       
          Mein Name
          ist Inge Drees, ich bin Jahrgang 1944,
          Arzthelferin und Verwaltungsangestellte gewesen, jetzt aber nicht mehr
          im Beruf.
          Ich bin verheiratet, habe zwei Töchter und wohne im Rheinland in der
          Nähe von Düsseldorf. 
          
          
          
          Ich möchte Ihnen mein Erlebnis erzählen, das ein wenig anders
          beginnt, als die meisten Nahtoderlebnisse. 
          
          
          
          Es war ungefähr 1977, liegt also schon lange zurück.
          Meine Kinder waren damals noch klein und wie es dann so ist, hatte ich
          eine unruhige Nacht hinter mir.
          Deshalb war ich morgens noch einmal kurz eingeschlafen.
          Ich träumte irgend etwas, an das ich mich
          heute nicht mehr erinnere. 
          
          
          
          Aus diesem Traumgeschehen heraus — ohne Übergang — fand ich mich in einer Röhre
          wieder, in der ich leicht aufwärts glitt. Sie war nicht beängstigend
          eng; meine Ellenbogen hätten die Wände nicht berührt. Sie war auch
          nicht dunkel, es herrschte ein angenehmes Dämmerlicht
          Ich glitt — oder besser schwebte — eine Weile nach oben, ohne Angst
          und ganz gelassen.
          Nach einer Weile wurde es vor mir heller und heller. 
          
          
          
          Es fällt mir schwer, für das, was ich jetzt schildern will, die
          richtigen Worte zu finden. Ich denke, Worte sind für das, was jetzt
          kam, nicht genug. 
          
          
          
          Ich schwebte heraus aus diesem Tunnel und sah mich einem Licht, einer
          Helligkeit, einer strahlenden Wolke -  etwas
          Unbeschreiblichem gegenüber. 
          
          
          
          Es stand oder es war in ungefähr 4 bis 5 Metern vor mir in einer
          angenehmen Dunkelheit. Es war kein eigentlicher Raum zu erkennen, auch
          keine Farben, nur dieses intensive Leuchten. 
          
          
          
          Diese Helligkeit war keine Person oder eine erkennbare Lichtquelle.
          Mir strahlte sanft die absolute Liebe
          entgegen, das was man sich immer wünscht; ein warmes Leuchten, ein
          liebevolles Warten auf mich, etwas, das mich gleich aufnehmen würde
          und in dem ich voller Glück aufgehen würde. 
          
          
          
          An ein „Danach“ habe ich in dem Moment keinen Gedanken
          verschwendet
          Heute, nach vielen Überlegungen und anderen Erfahrungen, meine ich, daß
          es sehr wohl ein Danach geben kann, aber in einer Form, die wieder
          jenseits aller Worte und Vorstellungen sein wird, aber nur gut und gütig
          sein kann.
          
          Alles in mir war nur darauf
          gerichtet, in dieses Licht hineinzuschweben, sich darin aufzulösen -  so
          empfand ich es. Eingehen in diese innige Geborgenheit. 
          
          
          
          Soweit ich noch denken konnte, dachte ich nur „Dies ist es, auf das
          ich überhaupt hingelebt habe und nun bin
          ich angekommen“ 
          
          
          
          Dieses Hineinstreben-Wollen war so stark und intensiv, wie ich im
          Leben nie etwas empfunden habe. 
          
          
          
          Aber vorher geschah noch etwas mit mir:
          Ich näherte mich immer mehr dem Licht, es war gar nicht mehr weit vor
          mir, da sah ich mein ganzes Leben in bewegten Bildern, lauter einzelne
          Szenen. 
          
          
          
          Es war aber kein Ablauf wie bei einem Film -  Bild
          für Bild -  sondern
          alles geschah gleichzeitig um mich herum; ich befand mich wie in einer
          kugelförmigen Wolke aus diesen wimmelnden Bildern bekannter Menschen
          und Geschehnisse. 
          
          
          
          Ich begriff auch gleichzeitig alle Bilder und Handlungen auf einmal
          und das erstaunte mich gar nicht, es war selbstverständlich und vor
          allem -  es
          interessierte mich überhaupt nicht, weil mein ganzes Sinnen und
          Trachten nur darauf gerichtet war, endlich in das Licht einzugehen —
          ich wollte mich durch nichts mehr
          aufhalten lassen. 
          
          
          
          In dieser Phase war es schon wie ein Auflösen meiner selbst; ich war
          nicht mehr „Person“ sondern eher wie ein theoretisches Ergebnis
          meines Lebens, nur noch meine Taten und Erlebnisse machten mich aus. 
          
          
          
          Ich war nicht mehr ein „Ich“, sondern nur noch so etwas wie eine
          Essenz, es gab mich nur noch als mein Denken und ich wusste ganz
          bestimmt:
          Das wird auch nicht mehr sein, wenn ich endlich in dieses Wunder
          eingehen werde. 
          
          
          
          Bei diesem Rückblick, bei dieser Wiedergabe meines Lebens war aber
          keinerlei Wertung oder Beurteilung oder gar Verurteilung zu spüren.
          Es wurde nur alles ausgebreitet und dargestellt und so angenommen, wie
          es gewesen war. 
          
          
          
          Ich ließ diesen „Lebensfilm“ hinter mir und war dem Licht schon
          ganz nahe, war endlich, endlich fast angekommen -  da
          gab es einen leichten Ruck und ich schwebte wieder rückwärts.
          Ich spürte keine Abweisung oder eine Erklärung oder gar einen Befehl
          - es ging einfach nur wieder zurück. Lebensbilder gab es jetzt keine
          mehr. 
          
          
          
          Das Licht blieb zurück an seinem Platz, wartend, wie die unendliche Güte,
          Geduld und das Ziel von allem überhaupt und ich blickte sehnsüchtig
          zurück, bis ich es nicht mehr sehen konnte.
          Ich war wieder Person. 
          
          
          
          Meine Enttäuschung und meine Traurigkeit kann ich fast nicht
          beschreiben, sie waren als Gefühl das genaue Gegenteil von diesem
          wilden Sehnen in das Licht. 
          
          
          
          Ich erwachte direkt und fand mich in meinem Bett. Ich war so enttäuscht
          und traurig wie im Traum, ich konnte es nicht fassen -  ich
          fühlte immer noch das, was das Licht ausstrahlte und wie es mich zu
          ihm zog. 
          
          
          
          Der Tag und die weitere Zeit danach waren mühsam, weil ich immer nur
          mit meinen Gedanken bei dem Traum war, der mich so sehr berührt
          hatte. 
          
          
          
          Ich konnte damals zu niemandem darüber sprechen - aber ich habe immer
          darüber nachgedacht und gerätselt, was ich da wohl erlebt hatte.
          Dieser „Traum“ war völlig anders, als meine Träume sonst sind. 
          
          
          
          Etwas anderthalb Jahre später bekam ich durch Zufall einen
          „Spiegel“ in die Hände, auf dessen Titelblatt ein Bild war, das
          meinem Traum-Erleben glich.
          Frau Kübler-Ross berichtete in dieser Ausgabe über Nahtoderlebnisse
          und da war ich noch einmal sehr betroffen. Sie schrieb ja über das,
          was ich erlebt hatte! 
          
          
          
          Aber die Menschen, von denen sie berichtete, waren dem Tode nahe
          gewesen durch Operationen oder Unfälle und ich hatte nur geträumt? 
          
          
          
          Hatte ich möglicherweise an dem Morgen damals ein Kreislaufproblem
          oder ein kurzes Herzversagen? Oder ist mir dieses Erlebnis doch im
          Traum geschenkt worden? Ich weiß es nicht. 
          
          
          
          Für mich bedeutet das alles sehr viel und es ist mir immer gegenwärtig.
          Trotzdem oder gerade deshalb habe ich meinen Alltag selbstverständlich
          gemeistert, war wieder berufstätig, bin weit gereist, habe neues
          ausprobiert:
          z.B. habe ich in einem Laientheater mitgemacht und ein Kunstgewerbe-Lädchen
          eröffnet und viel Freude am Leben gehabt.
          Ich möchte damit sagen, daß es mich
          nicht sozusagen „Der Welt entrückt“ hat, sondern mich eher
          intensiver leben lässt. 
          
          
          
          Ich habe zwar große Angst vor Unfällen, Schmerzen und schlimmen
          Krankheiten. Wenn mein Mann auf der Autobahn zu sehr aufdreht, habe
          ich auch Angst.
          Ich möchte auch gerne noch älter werden und mich über meine Enkel
          freuen.
          Aber wenn es einmal so weit ist -  vor
          dem endgültigen Übergang habe ich keine
          Angst. Ich werde in dieses Unsagbare
          eingehen und das macht mich froh.
          Auch weil ich sicher bin, daß
          meine Lieben auch einmal dahin kommen
          wie vermutlich jeder Mensch.
          Dieses Erlebnis nehme ich als ein Versprechen, das mir gegeben worden
          ist und auf das ich völlig vertraue.
          
          Inge Drees